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Das alte Vogelfängerdorf (von Dag Sørli) Vor dem kalten Nordwind geschützt, schmiegen sich die Häuser von Måstad dicht an die steilen Berge - mit Blick auf das unendliche Meer. Und wenn der blaue Schatten der Berge
Wie überall an der norwegischen Küste war die Nähe zu den ergiebigen Fischgründen Grund genug, sich niederzulassen. Doch der Wohlstand in Måstad kam nicht vom Fischfang allein. Die Menschen hier hatten auch die Berge - und dort nisteten Vögel, wahrhaft ein großer irdischer Schatz. Berge
An den Hängen, wo die Schafe weideten, wurde auch Gras gemäht. Kaum jemand hatte so kümmerliche und schwer zugängliche Wiesen wie die Leute von Måstad. An vielen Stellen war es so steil, daß man sich beim Mähen anseilen mußte. Der Transport des Heus zum Hof war eine abenteuerliche Geschichte. Ein Pferd hat es wohl nie im Ort gegeben. So wurde das Heu in Säcke gepackt, die Steilhänge hinabgeworfen und im Boot zum Hof gebracht. Denn litten auch die Schafe in den Bergen keine Not, so brauchte man in Måstad doch Futter für die Kühe. Die meisten Familien hatten eine Kuh - die wohlhabenden zwei oder drei. Auf den saftigen Bergweiden grasen jeden Sommer die Schafe. Die kleinen grünen Flecken waren zum Teil so steil, daß man sich beim Abernten oft anseilen mußte. Foto Dag Sørli Vögel
Zwei Runden gab es beim Eiersammeln. Dann wurden die Vögel in Ruhe gelassen. Zu Hause machten die Frauen Pfannkuchen mit vielen Eiern und wenig Mehl, denn man mußte so gut es ging sparen. Wurden die Eier der großen Möwen in feinen, trockenen Sand gelegt, hielten sie sich weit in den Herbst hinein - einige meinten sogar, man könnte sie bis Weihnachten aufbewahren.
Die Leute von Måstad fingen auch Vögel, u. a. des Fleisches wegen. Es war undenkbar, einen stürmischen Herbst und dunklem Winter entgegenzugehen, ohne wenigstens ein Faß mit gesalzenem Vogelfleisch auf dem Speicher stehen zu haben. Gefangen wurden die Tordalken und Trottellummen auf dem Wasser - mit Netzen. Außenstehende mögen dies heute Tierqälerei nennen. Das 1899 in Kraft getretene Jagdgesetz untersagte den Vogelfang mit Netzen.
Statt dessen wurde das Abschießen der Vögel auf dem Vogelfelsen erlaubt. Doch die Leute von Måstad haben sich nie an dieses Gesetzt gehalten. Sie verwiesen auf die vielen verletzten Vögel, die einen elenden Tod starben, wenn man in einen Schwarm hineinschoß. Dies war für die Einheimischen Tierqälerei. Die Netzfänger konnten dagegen genau verfolgen, wenn ein gefiederter Zweibeiner ins Netz ging, sie holten das Tier heraus und machten das Leiden kurz. Jeder gefangene Vogel wurde voll verwertet. Man sollte die Schätze der Natur nutzen, aber nicht ausnutzen. Das war die Richtschnur der Inselbewohner.
Der Papageitaucher (Fratercula arctica, auch Lund genannt) stand zuoberst auf dem Speiseplan der Leute von Måstad. Er wurde mit Hilfe der kleinen, spitzschnäuzigen Lundehunde gefangen, die nur zu diesem Zweck gehalten wurden. Auf Værøy nennt man sie "Måstadhunde". Denn nur in dieser straßenlosen Siedlung überlebte dieser norwegischer Vogelhund. Er gehört zum Leben der Bewohner dazu. Den Vogelfang mit Netzen betrieben die Männer, den Fang mit Hund dagegen war das Metier der Frauen und Kinder, denn in der betreffenden Zeit waren die Männer meist auf Fischfang und nicht zu Hause. Das Fleisch der Vögel war das wichtigste Produkt, und dies behielten die Leute von Måstad selbst. Federn und Daunen wurden verkauft. Man fing nur so viele Vögel, wie es für den eigenen Bedarf erforderlich war. Die Leute wußten, daß diese Tiere eine Ressource darstellten, die mit Umsicht genutzt werden mußte. Paradoxerweise geht heute, wo keine Vögel mehr gefangen werden, der Bestand zurück. Die Vorzeit
Geschichten erzählt man sich in Måstad dagegen viel. Unter anderem soll ein König Mår hier gewohnt haben. Er hatte so viele Schafe auf den Bergweiden 300m über dem Ort, daß die letzten noch nicht zu sehen waren, wenn die ersten schon am Hofgatter ankamen. Eine unglaubliche Geschichte, die aber noch davon übertroffen wird, daß die Leute von Måstad ihre Steuern nicht wie in den Fisacherdörfern üblich mit Fischen bezahlten, sondern mit Loden- und Wollstoffen. Dies ist in schriftlichen Quellen belegt. Schließlich geht aus den Steuerabrechnungen hervor, daß die Bewohner von Måstad nach der großen Pest (ca. 1350) ebenso viel Steuern bezahlten wie vor dem "schwarzen Tod". Also wurde Værøy entweder nicht von der Pest heimgesucht, oder der Boden war hier sehr wertvoll und die Nachfrage entsprechend groß. Der letztgenannte Grund ist dabei wohl der wahrscheinlichere. Das Meer
Der Hund
Im Zweiten Weltkrieg blieb auch Måstad nicht von der Hundestaupe verschont, und sämtliche Hunde auf der Insel starben. Zum Glück hatte jedoch die Züchterin Eleanora Christie in Hamar einige Exemplare in Verwahrung genommen. Nach dem Krieg kamen fünf von ihnen zurück nach Måstad - gerade rechtzeitig, denn kurz darauf fielen auch alle Lundehunde in Hamar der Staupe zum Opfer. Mit den fünf überlebenden Vierbeiner wurden weitergezüchtet, und heute kann von Aussterben nicht mehr die Rede sein. Die schwarz-weiße Variante gibt es allerdings nicht mehr.
Jetzt werden keine Papageientaucher mehr gefangen. Der heutige Lundehund ist daher nicht mehr unbedingt ein Gebrauchshund, und die meisten leben bei Familien weiter südlich in Norwegen. Doch der scharfe Ton, die scheue Art, die Wachsamkeit und die besondere Körpersprache des Urhundes sind bei dieser Rasse erhalten geblieben. Abwanderung
1974 verließ der letzte Bewohner den einst blühenden Ort, wo bis zu 150 Menschen gewohnt hatten und wo es eine eigene Schule gegeben hatte. Eine Epoche war zu Ende. Wenn der blaue Bergschatten die kleinen Häuser bedeckt, die noch am Strand stehen, schließt sich der Kreis gewissermaßen für Måstad - eine der ungewöhnlichsten kleinen Siedlungen, abgelegen im Norden Norwegens. Der Name Der Namensforscher Professor Oluf Rygh gibt an, der Name Måstad hänge mit dem männlichen Vornamen Mår oder Mås zusammen. "Mås" wurde auf Værøy übrigens noch bis in unsere Generation verwendet.
Daß ein Ort (norw. -stad) nach einer Person benannt wurde, stellt nichts Ungewöhnliches dar. Doch bei dem Berg "Måhorn" und der Landzunge "Månes" bereitet eine solche Herleitung Schwierigkeiten. Außerdem gibt es mehrere "Månes" in Nordnorwegen und eine Reihe von Bergen, deren Name mit "Må" beginnt. Betrachtet man diese Landzungen und Berge, liegt eine andere Erklärung näher: "Mar" oder "mor" bedeutet im Altnordischen "Meer" - im modernen Norwegischen gibt es noch das Kompositum "marbakke" (wörtlich "Meeresabhang" d. h. die Stelle, wo es im Wasser tief wird). Eine schlüssige Lösung hat man also noch nicht gefunden. Doch die Erklärung als "Ort am (großen, weiten) Meer" erscheint durchaus plausibel. Kulinarisches Meeresvögel ließen sich auf verschiedene Arten zubereiten. Hier einige Beispiele. Papageitaucher im ganzen, frisch gekocht: Das Wasser mußte gut gesalzen sein. Wenn sich eine der Keulen leicht abtrennen ließ, war das Fleisch gar. Als Beilage gab es Fladenbrot mit Butter oder Kartoffeln. Als Nachspeise wurde meist ein Teller Saftsuppe mit Milchreis serviert.
Suppe: Die Zutaten waren meist Tordalkfleisch und verschiedene Gemüse. Gebratene Papageitaucherküken: Der junge Papageitaucher, fast flügge und mit einer ordentlichen Fettschicht unter der Haut, waren die große Delikatesse. Nach dem Rupfen wurden die Vögel ein paar Tage in Salzlake gelegt und dann gekocht. Anschließend wurde der Rücken aufgeschnitten. Zum Braten legte man die aufgeklappten Hälften in eine große Pfanne, zusammen mit ein paar Eßlöffel Wasser und viel Pfeffer. Darauf kam ein Deckel und ein schwerer Stein. Solch ein "Lundküken-Deckel" und ein "Lundküken-Stein" durften in keinem Haushalt in Måstad fehlen. Als dann Margarine erschwinglich wurde, konnte damit oder mit Schmalz gebraten werden. Richtig knusprig wurden die Küken im Backofen oder in der Bratpfanne. Schiffsunglücke In den strömungsreichen Fahrwassern der Måstad-Halbinsel gingen viele Boote und Schiffe unter. 1885 trug sich eines der häufigsten geschilderten Unglücke zu: Um die Felseninsel Koppskjæret herum liegen viele große und kleine Schären, die nur bei Niedrigwasser sichtbar sind. Es war dunkel (gegen halb fünf nachmittags) und dichtes Schneetreiben, als das Boot von Bernt Leonard diesen gefährlichen Hindernissen zu nahe kam und kenterte. Ein Pflegebruder von Bernt, der 16-jährige Karl Kristensen ertrank. Bernt selbst konnte sich auf das kieloben treibende Boot retten. Mit ablaufendem Wasser trieb es zur Untiefe Rokkholsflua und mit auflaufendem Wasser wieder zurück Richtung Küste. Der Schiffbrüchige war am Skiphalssand so nah an Land, daß der Mast den Grund berührte. Weil er aber nicht schwimmen konnte, klammerte er sich weiterhin am Kiel fest.
Es heißt, in der gleichen Zeit habe eine alte Frau in Nordland im Sterben gelegen. Mehrfach habe sie diese Nacht ihrem Mann gesagt, er müsse hinausgehen und nachsehen, denn sie hörte deutlich Hilferufe aus tiefer Not. Der Mann hatte dies auch getan, aber weder etwas gehört noch etwas gesehen. So entdeckten erst die Bauersleute, die morgens in den Stall gingen, was sich auf dem Meer zutrug. Måstad auf Værøy Måstad ist am einfachsten mit dem Boot zu erreichen. Von Nordland auf Værøy führt aber ein markierter Pfad dorthin (mit einigen steilen Partien). Die Wanderung von Nordland nach Måstad an der Außenseite von Værøy dauert ca. 2 Stunden.
Text und Idee: Dag Sørli |
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